Quantcast
Channel: Elli Erl – Rosalie & Co.
Viewing all articles
Browse latest Browse all 8

Homosexuelle TV-Stars: Schweigen aus Angst vor dem Zuschauer?

$
0
0

In einem Beitrag für das Medienmagazin DWDL.de beschäftigt sich DWDL-Chefredakteur Thomas Lückerath mit der Frage, warum sich immer noch so wenige schwule TV-Stars outen, und vergleicht die angeblich ach so liberale Fernsehbranche mit dem Profifußall – bei den einen ist es die Angst vor der Reaktion der Fans, bei den anderen die vor der Reaktion der Zuschauer. Aber ist das bei den Frauen eigentlich auch so, oder gilt das nur für schwule Männer? Immerhin gab es im Frauenfußball schon einige prominente Outings, ebenso wie wöchentlich offen lesbische Frauen vor deutschen Fernsehkameras stehen.

Ein paar ergänzende Gedanken zu einem spannenden und wichtigen Thema.

Deutschland ist ein liberales Land, wenn es um die Gleichberechtigung von schwulen, lesbischen, bi- und transsexuellen Bürgerinnen und Bürgern geht. So zumindest die landläufige Meinung, und immerhin sprechen auch viele Indizien dafür: Wir haben einen schwulen Außenminister, unsere Hauptstadt wird von einem Mann regiert, der gewählt wurde, obwohl er von Anfang an offen zu seinem Schwulsein gestanden hat, und auch meine Lieblingsstadt Hamburg hatte bis vor kurzem einen schwulen Bürgermeister. Seit 10 Jahren können schwule und lesbische Paare ihre Lebenspartnerschaft amtlich registrieren lassen. Keine TV-Soap kommt mehr ohne mindestens ein schwules oder lesbisches Pärchen aus, und das Outing eines Prominenten ist nicht einmal für Boulevard-Zeitungen mehr ein Aufreger.

Dass aber diese vermeintliche Liberalität in den Köpfen der Menschen noch lange nicht angekommen ist, das zeigen nicht nur öffentliche Diskussionen wie die um das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare, sondern auch die fast panische, jedenfalls aber völlig überzogene Reaktion eines Oliver Bierhoff auf einen harmlosen Satz, der in einem Fernsehkrimi gesagt wurde und dem wahrscheinlich ansonsten niemand eine Bedeutung beigemessen hätte. Denn Spekulationen darüber, dass es sowohl in der deutschen Fußballnationalmannschaft selbst als auch im Trainer- und Betreuerstab Schwule gibt, sind ja nicht neu und wurden auch durch den besagten Tatort (“Mord in der ersten Liga”) nicht angeheizt.

Eben jenen Tatort nimmt DWDL-Autor Thomas Lückerath als Ausgangspunkt seines (lesenswerten!) Artikels “Schwule vor der Kamera: Die verlorene Generation”, in dem er der Frage nachgeht, warum in der Fernsehbranche ebenso wie im Profifußball für junge Schwule kein Platz zu sein scheint. Warum ist es für schwule Fernsehmoderatoren und Schauspieler immer noch so schwer, sich zu outen? Denn dass es viele von ihnen gibt, ist ein offenes Geheimnis, und die meisten scheuen auch gar nicht davor zurück, sich in der Szene zu zeigen und ihr Schwulsein dort zu leben. Nur es öffentlich zu sagen, das wollen sie dann doch lieber nicht.

Lückerath hat damit das Thema “Homophobie in unserer Gesellschaft” wieder dorthin gebracht, wo es hingehört: In die öffentliche Diskussion. Denn all die schwulen Politiker und lesbischen TV-Pärchen können doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass immer noch etwas faul ist, und zwar nicht im Staate Dänemark (die sind nämlich schon viel weiter als wir), sondern im Staate Deutschland. Und dass er für diesen Artikel das Portal DWDL.de genutzt hat, ist ein mutiger Schritt und beweist, wie sehr ihm selbst das Thema am Herzen liegt. Denn DWDL.de ist keine schwule oder schwullesbische Seite, sondern Mainstream, und ein solcher Artikel und die damit angestoßene Diskussion werden ihm und DWDL sicher nicht nur Fans bescheren.

Dass Thomas Lückerath sich als schwuler Autor in seinem Artikel insbesondere auf die Sitation schwuler Männer konzentriert, finde ich nachvollziehbar und soll hier auch nicht kritisiert werden (also bitte spart Euch die “immer fühlen sich die Lesben außen vor und müssen meckern”-Kommentare). Als lesbischer Frau fällt mir die Berücksichtigung der schwulen Perspektive auch nicht immer leicht, und wahrscheinlich noch schwerer bei einem Thema, das mir selbst sehr am Herzen liegt. Da ich aber finde, dass auch die lesbische Perspektive in der Diskussion um Homophobie, die uns ja alle gleichermaßen betrifft, nicht zu kurz kommen darf, habe ich mir mal einige Gedanken dazu gemacht.

Also, wie es ist das mit dem Coming-Out bei prominenten deutschen Fernsehfrauen? Auf den ersten Blick könnte man annehmen, die Damen hätten es da etwas leichter. Immerhin haben schon so einige Moderatorinnen und auch Schauspielerinnen den Schritt gewagt: Dunja Hayali, Anne Will, Vera Int-Veen, Ulrike Folkerts, Maren Kroymann, um nur ein paar Namen zu nennen. Und auch wenn man wie Thomas Lückerath die Parallele zum Fußball zieht, sieht es so aus, als sei es für Frauen einfacher, sich zu outen. Immerhin stehen mit Ursula Holl und Nadine Angerer zwei Nationalspielerinnen offen dazu, dass sie (auch) Frauen lieben.

Trotzdem: Der Eindruck, prominenten lesbischen Frauen würde es leichter fallen, sich zu outen, als prominenten schwulen Männern, täuscht meines Erachtens. Gerade in der jüngeren Generation tut sich da, ebenso wie bei den Männern, eine gewaltige Lücke auf. Zur “schwul-lesbischen U40-Mannschaft”, nach der Thomas Lückerath in seinem Artikel fragt, können auch die TV-Damen kaum mehr beisteuern als Dunja Hayali und vielleicht noch die beiden ehemaligen Castingshow-Teilnehmerinnen Lucy Diakovska (“Popstars”) und Elli Erl (“DSDS”), die sich beide als bisexuell geoutet haben.

Fast hätte sich auch Schauspielerin Ulrike Röseberg (“Alles was zählt”) in die Mannschaftsliste eintragen können, nachdem sie in einem im Februar 2009 auf der offiziellen Webseite von RTL veröffentlichten Video-Interview doch recht freimütig erzählt hatte, dass sie privat lieber Frauen mag. Das war dem Sender aber dann wohl doch zu viel Offenheit, denn nach nur einem Tag war auf der Seite nur noch eine gekürzte Version des Videos abrufbar, in der die entscheidenden Passagen fehlten. Eine Erklärung für die Kürzung gab es, trotz mehrfacher Nachfrage, nicht, aber die Annahme liegt nahe, dass RTL das Risiko, dass die Zuschauer Ulrike Röseberg und ihrem Serienpartner André Dietz das Heterotraumpaar nach einem solchen Outing nicht mehr abnehmen, nicht eingehen wollte.

Dass es auch anders gehen könnte, dass sich sogar eine junge Schauspielerin zu Beginn ihrer Karriere outen kann und trotzdem weiter Angebote erhält, und dass auch eine Schauspielerin, die aus ihrer Homosexualität nie einen Hehl gemacht hat, in ihrem Job erfolgreich und beim Publikum beliebt sein kann, zeigt ausgerechnet ein Blick in das ansonsten doch deutlich wertkonservativere und businessorientiertere Hollywood. Dort darf Jungstar Amber Heard weiter Filme mit gestandenen Hollywood-Stars wie Johnny Depp oder Nicolas Cage drehen, obwohl sie privat die Fotografin Tasya van Ree liebt. Und Jane Lynch erhielt Anfang diesen Jahres den People’s Choice Award, den begehrtesten US-Publikumspreis, für ihre Rolle als Sue Sylvester in der Serie “Glee”. Kurz danach gewann sie auch den Golden Globe, und bei beiden Gelegenheiten erschien sie mit einer schönen Frau am Arm: ihrer Ehefrau Lara Embry. Skandal? Fehlanzeige. Quotendesaster? Ebensowenig.

Schade, dass das ach so liberale Deutschland sich mit dem Thema Homosexualität anscheinend doch noch immer so schwer tut. Umso wichtiger ist es daher, die Diskussion darüber, warum dies so ist und wie es besser werden kann, am Leben zu erhalten und immer wieder neu zu entfachen, und dafür sind Beiträge wie die von Thomas Lückerath so wichtig. Denn wir brauchen mutige prominente Lesben und Schwule, die offen zu ihrer Homosexualität stehen, und das nicht nur als Beispiel für den Rest der Gesellschaft, sondern insbesondere auch als Vorbild für lesbische und schwule Jugendliche. Damit sie sehen, dass man beliebt sein kann und berühmt und alles erreichen kann, was man sich wünscht, und dass es dabei völlig egal ist, wen man liebt.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 8

Latest Images

Trending Articles





Latest Images